26. Juli 2007

Der göttliche Plan

Ein Text zum letztjährigen Frauenjahr (35 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz, 10 Jahre Gleichstellung von Mann und Frau) .

Horrornachrichten verletzten in der letzten Zeit die zarte Seele der Männer. „Immer mehr Frauen besetzen Kaderstellen“, „Frauenanteil der Studierenden nimmt gegenüber Männer zu“, heisst es für die Älteren, „Knaben Opfer der Frauen-Pädagogik“ (Facts), für die Jüngeren und „Die Männer werden aussterben“ (Prof. Karl Grammer) für alle männlichen Wesen. Das Zeitalter der Venus ist angebrochen und hält schlechte Aussichten für jemanden bereit, der das Starksein und das Führen gewohnt ist. Der Mann ist ein Auslaufmodell.

Diese Nachrichten sollten die Männer aber nicht ins Bockshorn jagen, nein, sie sollten sie nachdenklich machen. Wagen wir eine Reise in die Vergangenheit und werfen einen nostalgischen Blick auf das Werk des Mannes, der sie mit Stolz erfüllen, und ihnen etwas klar machen soll:

Begonnen hat alles in der Steinzeit. Heute lässt sich zwar nicht mehr rekonstruieren, welches Geschlecht die Entdeckungen dieser Zeit (u.a. das Steinmesser oder das Feuer) machte (als Mann nimmt man natürlich an, dass das Mannsvolk diese entdeckte). Doch konnten bereits einige Erleichterungen im Alltag erreicht werden. So sollen folgende Beispiele der Errungenschaften des Mannes, als erstes das angekratzte männliche Gemüt lobhudeln und zweitens die Entlastungen des Alltags aufzeigen, die durch sie erreicht wurden. Aus diesen wir eine wichtige Erkenntnis ziehen müssen. Doch lobpreisen wir nun den Mann.

Eine der wichtigsten männlichen Erfindungen war die Dampfmaschine. Thomas Newcomen brachte als erster eine verwendbare auf den Markt, die zum Abpumpen von Wasser in Bergwerken eingesetzt wurde. Sie wurde ständig verbessert und brachte die industrielle Revolution so richtig in Gang. Die Textilindustrie war eine der ersten, welche sich dies zunutze machte. Endlich konnte man Arbeiter und somit auch Löhne einsparen, der grössere Vorteil aber war, man konnte das Plärren der Kinderarbeiter übertönen, oder sie gleich wegrationalisieren. Auch konnte nun viel mehr in kürzerem Zeitraum produziert werden. Der Wunsch nach endloser Produktion formierte sich in den Köpfen der besitzenden Klasse. Doch die Nachtarbeit barg ein Nachteil: Es war zu dunkel. Doch schon bald konnte Humphry Davy den Direktoren ein Lächeln und den Arbeitern ein Stöhnen abringen. Er meldete das Patent der Kohlenbogenlampe an und das elektrische Licht beziehungsweise der ewige Tag war geboren. Die Industrialisierung war in vollem Gange und brachte täglich neue Entwicklungen zu Tage welche zur Abnahme der Bürde des Lebens führten. Endlich konnte die Menschheit das Leben ein bisschen geniessen. Langsam wurde das Wort „Freizeit“ Mode, und auch der kleine Arbeiter konnte sich ein Hobby zulegen.

Ein Hobby der Damen war und ist das tägliche Palaver mit den Freundinnen. Alexander Graham Bell machte wohl eine der, bei Frauen, beliebtesten Erfindung: Das Telefon. Das nervtötende BipBipBiiiiiiip (Morsen) oder das noch nervtötendere (vor allem für Zuhörer) Zuschreien von Fenster zu Fenster konnte endlich unterbunden werden. Auch konnte frau endlich einmal über die doofe Frau Müller ablästern, ohne dass diese das hörte und gleich mit dem Besen zuschlug.

Durch diese und viele andere Schöpfungen des Mannes konnte die Menschheit viele alltägliche Mühen ablegen, und wird es auch in Zukunft können. Immer kleinere Anstrengungen werden uns, mit Fernbedienungen, Maschinen, elektrischen Firlefanz et cetera abgenommen. Heutzutage muss man(n) nicht mehr stark sein, um das Leben zu überstehen. Das starke Geschlecht sorgt selbst dafür, dass es unnötig wird. Doch weshalb?

Wieso lässt der Mann es zu, dass sein Ejakulat in Banken gelagert wird? Weshalb lässt er es zu, oder hilft sogar mit, die künstliche Befruchtung voranzutreiben, mit welcher er seine Aufgabe Numero Uno kampflos abgibt? Doch nicht nur seine wichtigste Aufgabe lässt er aus seinen Händen gleiten. Er begrüsst es, dass die Frau Arbeiten annimmt, die vorher nur für ihn bestimmt waren. Er akzeptiert, dass die Frau zu führen, und über den Mann zu bestimmen beginnt. Er billigt, dass die Pädagogik, welche nachfolgende Generationen bildet, in den Händen der Frauen ruht. Weswegen also zieht sich der Mann immer mehr zurück? Ist er einfach nur faul? Oder schaufelt er sich selbst sein Grab, mit seinem Drang nach Fortschritt, mit seiner Habgier nach Ruhm und Reichtum, die er durch das Vorantreiben des Systems erhält? Verrät er sich selbst?

Ja, er verrät sich selbst. Doch nicht aus eigenem Antrieb, nein, es ist sein göttlicher Auftrag. Wie oben erwähnt, wird der Mann aussterben. Wie Judas, der Jesus verriet, und sich zum Prügelknaben vieler Generationen machte, damit der Mythos Jesus geboren und durch viele Jahre am Leben erhalten werden konnte, so sorgt der Mann durch seinen Verrat dafür, dass die Frau viele Jahre weiterbestehen kann; und zwar ohne Mann. Der Mann ist wie Judas das Werkzeug, dass die göttlichen Bestimmungen ausführt. Er sorgt dafür, dass der „Heilige Gral“, also das ewige Leben bestehen bleibt. Samenbanken heissen nicht ohne Grund so; sie sind eine Anlage für das spätere Fortbestehen der Menschheit. Der Mann kümmert sich um die Entwicklung, damit die so weit fortschreitet, dass das schwache Geschlecht die täglichen Strapazen überstehen und das menschliche Gen weiterbestehen lassen kann. Die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen sind gegeben und müssen nun langsam in die Hände der Frauen übergeben werden.

Also liebe Männer, habt keine Angst, wenn euer Boss plötzlich Brüste anstelle eines Bierbauches trägt, macht euch keine Sorgen, wenn nur noch Frauen studieren und verzagt nicht an eurem gebrochenen Stolz. Ihr alle tragt zum göttlichen Auftrag bei und könnt stolz darauf sein. Wir liegen gut im Zeitplan...wohl etwas zu gut. Nach wirtschaftlichen Erkenntnissen sterben wir Männer erst in Millionen von Jahren aus, aber der Frauenanteil in Spitzenpositionen, Regierungen und bei Studienabgängen nahm in den letzten 50 Jahren rasant zu. Vielleicht sollten wir die Sache nun etwas langsamer angehen, damit der göttliche Plan nicht aus den Fugen gerät.

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